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30.06.2025

Positionspapier: Wettbewerb als Treiber der Digitalisierung: Wie die Situation von wMSB verbessert werden kann

Berlin, Juni 2025. Wettbewerbliche Messstellenbetreiber (wMSB) sind zentrale Treiber der Digitalisierung und der Energiewende in Deutschland. Sie ermöglichen einen zügigen Smart-Meter-Rollout, schaffen Innovationen und bieten Kunden flexible, marktorientierte Lösungen. Dennoch wird der Wettbewerb im Messstellenbetrieb durch strukturelle, regulatorische und wirtschaftliche Hürden massiv eingeschränkt – mit negativen Folgen für Innovation, Kundenorientierung und den Erfolg der Energiewende insgesamt.

Das Grundproblem liegt in der Rolle und in der Interessenlage der VNB die in die Rolle des gMSB getrieben wurden. Hier liegen strukturelle Interessen- und Leistungskonflikte, für die die VNB teilweise nichts können die aber im Ergebnis den wettbewerblichen technischen Fortschritt strukturell aushebelt. So zeigt das quartalsweise von der Bundesnetzagentur veröffentlichte Monitoring der grundzuständigen Messstellenbetreiber (gMSB) klar auf, dass der Smart Meter-Rollout in den Händen der Verteilnetzbetreiber (VNB) bzw. gMSB kaum Fortschritte macht. Zum 31. Dezember 2024 liegt der Anteil der intelligenten Messsysteme (iMSys) an allen Messlokationen in Deutschland bei gerade einmal 2,18 Prozent. Insbesondere kleinere gMSB sind der wichtigen Aufgabe der Digitalisierung nicht gewachsen, so haben 340 gMSB bislang kein einziges iMSys verbaut.

Umso wichtiger ist die Rolle des Wettbewerbs im Messstellenbetrieb. wMSB sind der entscheidende Hebel für die Digitalisierung und Flexibilisierung des Energiesystems. Besonders für Kundinnen und Kunden, die nicht unter den sogenannten Pflichtrollout fallen, also nicht in den Plänen der gMSB vorgesehen sind, sind die von wMSB angeboten Dienstleistungen von großer Bedeutung.

Die Potenziale des Wettbewerbs können jedoch nur ausgeschöpft werden, wenn die regulatorischen, prozessualen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert werden. Es fehlen faire Wettbewerbsbedingungen, Transparenz und effiziente Prozesse, damit der Messstellenbetrieb in Deutschland kundenorientierter und innovationsfreundlicher wird. Die vorgeschlagenen Maßnahmen adressieren die zentralen Hemmnisse und schaffen die Grundlage für einen zukunftsfähigen wettbewerblichen Messstellenbetrieb in Deutschland.

Wie wettbewerbliche Messstellenbetreiber ausgebremst werden:

Grundsatzproblem ist im MsbG selbst angelegt: Der „Bock wird zum Gärtner gemacht“

Aus Sicht des bne besteht das Kernproblem im deutschen Messstellenmarkt darin, dass der gesetzliche Rahmen zwar Wettbewerb ermöglicht, gleichzeitig aber den gMSB – oft auch VNB – zur Überwachung seiner Konkurrenten (wMSB) verpflichtet. Diese Konstruktion führt zu einem Interessenkonflikt: Der gMSB hat ein wirtschaftliches Eigeninteresse, möglichst viele Messstellen im eigenen Netzgebiet selbst zu betreiben.

Denn die Wirtschaftlichkeit wird künftig mit Blick auf die Ausstattungsverpflichtungen mit intelligenten Messsystemen nach den Vorgaben des MsbG für den gMSB maßgeblich mit davon abhängen, möglichst viele und vor allem auch die lukrativen Messtellen im eigenen Netzgebiet selbst zu betreiben. Dies birgt inhärente Diskriminierungsrisiken. Eine neutrale Kontrolle durch den gMSB ist dabei systembedingt kaum gewährleistet.

Strukturelle Benachteiligung durch Ressourcenverflechtung

Ein weiteres Grundproblem besteht in der personellen und systemischen Identität zwischen gMSB und VNB. Beide greifen auf identische Prozesse, IT-Systeme und häufig sogar das gleiche Personal zurück.

Dies führt zu einer verzerrten Leistungsbewertung: Während ein wMSB bei Datenübermittlungsproblemen sanktioniert wird, bleibt ein Fehler des gMSB oft unentdeckt. Konkret: Bei einem wMSB erkennt der VNB fehlende Messdaten sofort und meldet den Verstoß. Beim gMSB hingegen kann der VNB – dank Zugriff auf das gleiche EDM-System – die Daten einfach selbst abrufen. Der Verstoß wird somit nie aufgedeckt, der gMSB bleibt straffrei.

Die strukturelle Verknüpfung beider Rollen schafft somit asymmetrische Kontrollmechanismen, die den Wettbewerb zugunsten des gMSB verzerren.

Die Personenidentität von VNB/gMSB führt zu einer ungleichen Überwachung des wMSB zur Einhaltung der regulatorischen Vorgaben im Vergleich zum gMSB

Es ist festzustellen, dass der gMSB die strikte Einhaltung aller prozessualen Anforderungen gegenüber dem wMSB überwacht und einfordert, im Gegenzug aber keine entsprechende Kontrollinstanz existiert, die gleichermaßen auf Einzelfallebene konsequent die Einhaltung der Anforderungen auch durch den gMSB/VNB im Kontext MSB überwacht. Das führt dazu, dass in manchen Netzgebieten nahezu jeder Fehler des wMSB durch den gMSB zur Anzeige gebracht wird, wogegen entsprechende Sachverhalte des gMSB nicht geahndet werden.

Als anschauliches Beispiel dient hier die Thematik der Zählerentstörung, welche in der Praxis – aufgrund der hierfür vorgesehenen sehr kurzen Frist- aus den verschiedensten Gründen sowohl durch einen wettbewerblichen als auch durch einen gMSB nicht immer fristgerecht durchgeführt werden kann. In diesem Falle sieht sich der wMSB oftmals direkt mit einer entsprechenden Beschwerde seitens des gMSB konfrontiert.

Im wiederholten Falle kann als Konsequenz die Kündigung des gesamten Messstellenbetreibervertrages durch den VNB ausgesprochen werden. Für den gMSB bleiben solche Verzögerungen demgegenüber in der Regel ohne Konsequenzen, da sich etwaige Verzögerungen bei der Datenqualität nicht zwingend negativ auf die weiteren Marktrollen (bspw. auf den Lieferanten) auswirken und damit erst gar nicht transparent werden. Diese Ungleichheit verzerrt die Grundlagen des Wettbewerbs weiter deutlich.

wMSB können in der Marktkommunikation keine eigenen, gestaffelten Messentgelte abrechnen

Ein weiteres Problem besteht in der ungleichen Behandlung von wMSB bei der Preiskalkulation. Laut der EDI@Energy-Codeliste dürfen nur gMSB ihre Messentgelte nach Verbrauchsklassen staffeln und individuell an Lieferanten kommunizieren. Wettbewerbliche Anbieter sind hingegen auf zwei Optionen beschränkt: Sie können entweder die volle Preisobergrenze verlangen oder einen einheitlichen Betrag für alle Verbrauchsklassen festlegen – selbst wenn sie preislich unter der POG liegen wollen.

Ursache ist das Format des elektronischen Preisblatts in der Marktkommunikation. Während gMSB spezifische Artikelnummern für verbrauchsgestaffelte Entgelte nutzen können, steht wMSB nur eine allgemeine Artikelnummer ohne Differenzierung zur Verfügung (z.B. 4-02-0-021). Dies verhindert, dass wMSB flexibel gestaffelte Preise anbieten.

Praktisch bleibt wMSB nur die ineffiziente Einzelabrechnung mit jedem Kunden, was zu Mehraufwand und Akzeptanzproblemen führt. Anschlussnutzer erhalten so separate Rechnungen und müssen prüfen, ob Lieferanten zusätzliche Messentgelte berechnen. Der bne setzt sich daher eine Gleichstellung der wMSB in der Codeliste ein, um verbrauchsabhängige Staffelungen auch für Wettbewerber zu ermöglichen und diskriminierungsfreien Wettbewerb zu sichern.

Diskriminierende Marktprozesse und fehlende Standardisierung

Praktische Probleme ergeben sich auch bei Wechselprozessen, da viele VNB Anfragen zum Abschluss von Messstellenbetreiber-Rahmenverträgen ignorieren oder auf Marktnachrichten der wMSB nicht oder nur verspätet reagieren. Ein Beispiel hierfür sind die Anmeldefristen bei Wechselprozessen im Messwesen (WiM). Mit den derzeitigen Anmeldefristen ist der Koordinierungsaufwand zwischen gMSB und wMSB zu hoch und keine Skalierung des Rollout möglich. Es muss ein pragmatischer Ablauf gefunden werden.

Zusätzlich erschweren technische Fragmentierung, unterschiedliche Systemstände und fehlende digitale Schnittstellen die Zusammenarbeit. wMSB müssen mit rund 860 verschiedenen VNBs kommunizieren, die jeweils unterschiedliche Prozesse und Systeme nutzen. Das erhöht den Aufwand und die Fehleranfälligkeit erheblich.

Schließlich verlieren wMSB bei einem Mieterwechsel in der Regel automatisch die Zuständigkeit für die Messstelle an den gMSB, da sie keinen Kontakt zum neuen Anschlussnutzer herstellen können. Ihr Investment geht damit verloren, während der gMSB ohne Aufwand die Messstelle übernimmt. Bei einem Wechsel des Anschlussnutzers sollte daher der letzte MSB – sei dies ein gMSB oder ein wMSB –den Messstellenbetrieb für die Messstelle bis auf Weiteres fortführen dürfen.

Unterschiedliche technische Anschlussbedingungen (TAB) und fehlende digitale Schnittstellen behindern Innovationen und die Einführung neuer Technologien. Es fehlen zentrale, digitale Austauschplattformen und einheitliche Schnittstellen, die eine effiziente Zusammenarbeit ermöglichen würden. Insbesondere sollte der MSB mit Blick auf die Konfiguration des Zählerfelds unabhängig von TABs des VNB/gMSB agieren, im Rahmen der Konfiguration des Zählerfelds also selbst die für den Kunden beste technische Umsetzungsvariante wählen können.

Verbesserungsvorschläge für mehr Wettbewerb im Messtellenbetrieb

1. Faire Marktbedingungen schaffen

  • Diskriminierungsfreie Marktprozesse und einheitliche, digitale Schnittstellen für alle Marktteilnehmer
  • Klare Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Rollentrennung von VNB und MSB sowie verpflichtende Mandantentrennung in IT-Systemen.

2. Standardisierung schaffen und Innovationskraft stärken

  • Bundesweit einheitliche technische Anschlussbedingungen und Prozesse, notwendigerweise digitalisiert und standardisiert.
  • Pragmatische und marktorientierte Vorgaben für Smart Meter Gateways und Steuerungstechnologien, vollständige Abschaffung überholter Vorgaben wie SILKE.

3. Transparenz und Kontrolle verbessern

  • Unabhängige Kontrolle und Sanktionsmöglichkeiten bei Diskriminierung oder Behinderung von wMSB durch VNB und gMSB
  • Veröffentlichungspflichten für Rollout-Pläne der gMSB und digitale Nachverfolgung aller VNB-abhängigen Prozesse

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Lars Petereit

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